Kreativität und Bildung
Als Bildungsziel hat Kreativität in den vergangenen Jahren nach und nach an Bedeutung gewonnen. Der Ruf der Wirtschaft
nach kreativen Köpfen wurde im globalen Wettbewerb um innovative Produkte lauter (DIPF, 2012; Mumford, 2000).
Bisher gibt es aber noch wenig Wissen darüber, welche Lernbedingungen Kreativität fördern. Eine Studie die Auswirkungen von
Schulkonzepten auf kreative Denkprozesse untersuchte zeigte, dass Montessori-Schülerinnen und -Schüler,
die eine offene, künstlerisch geprägte Lernumgebung erfahren, Schülern traditioneller Schulen und von Freinet-Schulen im kreativen
divergenten und integrierenden Denken signifikant überlegen sind (Besançon & Lubart, 2008).
In der digitalen Lehre stellt aber das elektronische Medium, heute am häufigsten als Online-Ressourcen oder Lernplattformen realisiert,
die Lernumgebung dar.
Für die Ausgestaltung digitaler Lernangebote ist es wesentlich, neben dem Wissen über allgemeine ästhetische, wahrnehmungsbasierte
und zielgruppenorientierte Designvorgaben, auch zu Wissen über pädagogische Kriterien zu gelangen. Lernen mit elektronischen Medien hatte sich allerdings
in den Anfängen stark auf Wissensvermittlung durch bloße Bereitstellung von Texten, Sprach- oder Videoquellen fokussiert.
Selbstständiges Lernen, insbesondere im kreativen Bereich, erfordert aber andere Konzepte. Da Kreativität durch Lernumgebungen nicht nur gefördert, sondern
durch unpassende Bedingungen sogar behindert werden kann (Beghetto & Kaufman, 2014; Guilford, 1975), war die erste Fragestellung die in der von Rosar et al. (2018)
in 2014 durchgeführten Studie geklärt werden sollte: gibt es eigentlich Präferenzunterschiede
zwischen kreativen und nicht-kreativen Lernenden, was die Instruktionsart in der Lernumgebung angeht?
Erste Studie: Instruktionsvorlieben kreativer Lernender
Wesentliche pädagogische Leitlinien, auch für klassischen Face-to-face Unterricht, setzen auf zwei unterschiedliche Konzepte. Das ist einmal die
lenkende Instruktion, bei der das Lernen dadurch erleichtert werden soll, dass Lernende schrittweise und durch das Lehrpersonal vorstrukturiert durch
das Material geführt werden.
Demgegenüber steht die offen-forschende Instruktion, bei der konkrete Arbeitsanweisungen fehlen und der Inhalt mehr zum Explorieren freigegeben ist.
Für das Forschungsvorhaben wurde, im Unterschied zu der Studie von Yang und Tsai (2008), die eine einzige Gruppe betrachtet hatte,
hier ein Quasi-Experiment im Experimental- und Kontrollgruppendesign durchgeführt. Entgegen einem der Ergebnisse von Yang und Tsai (2008), wonach
generell stärker strukturierte Lernaktivitäten bevorzugt werden, zeigt die Studie von Rosar et al. (2018), dass kreative Lernende lenkende Instruktion
signifikant häufiger ablehnen als nicht-kreative Lernende (Link zur Studie: siehe unten).